Charakter

Zeit, mal wieder Bateson zu lesen; gerade heute, wo es wieder modern wird, Menschen Eigenschaften zuzuschreiben, von den Beziehungen, innerhalb derer sie sich manifestieren zu abstrahieren, und sie - da sie ja nicht vom Himmel fallen können - dem Gehirn kausal zuzuschreiben. Hier eine Gegenposition von Gregory Bateson aus dem Jahre 1942. Er geht davon aus, dass man immer die beiden - polar entgegengesetzten - Seiten eines Beziehungsmusters erlernt:


„Nun zwingt uns aber alles, was wir über die Mechanik der Charakterbildung – besonders die Prozesse der Projektion, Reaktionsbildung, Kompensation und ähnliches – wissen, diese bipolaren Muster als innerhalb des Indivduums einheitlich anzusehen. Wenn wir wissen, dass ein Individuum zum offenen Ausdruck einer Hälfte von einem dieser Muster erzogen wird, z. B. zum Herrschaftsverhalten, dann können wir mit Gewißheit voraussagen (wenn auch nicht in genauer Sprache), dass damit auch die Saat der anderen Hälfte – Unterwerfung – in seiner Persönlichkeit angelegt ist. Wir müssen in der Tat das Individuum als zu Herrschaft–Unterwerfung erzogen denken und nicht zu Herrschaft oder Unterwerfung."


(aus: Moral und Nationalcharakter. In: Ökologie des Geistes, S. 137)