Camorra

Wenn man das Buch "Gomorra" von Roberto Saviano liest, kann man wirklich deprimiert sein. Er schildert dort, wie die unterschiedlichen Clans im Großraum Neapel ihre wirtschaftlichen Reiche aufgebaut haben und sie bzw. ihre Macht aufrecht erhalten. Dass dabei Gewalt und die systematische Liquidation von Gegnern Teil der "Erfolgsstrategien" ist, löst dabei nur im geringeren Maße die Depression aus.


Was mich so erschüttert hat beim Lesen, ist, dass ich denke, dass Neapel Modell für die Entwicklung der westlichen Gesellschaft sein könnte (ich hoffe nicht...). Denn einerseits scheint mir hier ein gnadenloser ökonomischer Utilitarismus am Werke, eine Regression in feudalistische Strukturen, wo - familienorientiert - Reiche begründet und gegeneinander abgegrenzt und verteidigt werden. Die Gefolgsleute werden alimentiert, ihre Loyalität bezahlt bzw. durch Gewalt gesichtert. Die Reiche sind allerdings nicht territorial definiert, sondern geschäftlich: Kokain, Müllexport, Produktion von Luxusartikeln etc.


Feudal sind diese Strukturen - und unzivilisiert - weil das staatliche Gewaltmonopol nicht funktioniert.


Das Modell scheint Anteile aus lange vergangenen Zeiten zu haben, was die internen Strukturen angeht, und es scheint sehr modern, weil es auf globalisierte Wirtschaft setzt.


Mit der Reagen-Thatcherschen Depotenzierung des Staates ist allegemein der Trend in diese Richtung gelenkt worden. Die Camorrisierung der Weltwirtschaft. Wenn man die Anschuldigungen gegen Goldmann Sachs hört, dann ist das nur ein weiterer Beleg, dass die Grenze zwischen Big Business und kriminellen Vereinigungen sich (wieder) verwischt.