Butterfahrt Reloaded

Hallo liebe LeserInnen,


willkommen auf dem Sonnendeck der „Systemtheorie“. Plääätze sind reichlich vorhanden:


Ich darf -- sozusagen als informatives Bonbon der bordeigenen Stillen Post -- mitteilen, daß es blinde Passagiere geben soll, die die zugegeben gemächliche Geschwindigkeit des langsam in die Jahre kommenden Schiffes als „Butterfahrt“ bezeichnet haben -- freilich nur unter der Hand und mit investigativer Hilfestellung einschlägig bekannter (:-)) Stammgäste.


Nun, der Grund dafür: wenn Sie nur mal kurz nach Backbord schauen wollen, dort sehen Sie, wie sich unsere Taucher mit dem Beiboot startklar machen, um für Sie die Beobachtungssonden im schon abgesteckten Theoriegewässer noch tiefer zu legen. Machen Sie sich übrigens um die Familien der Männer [und Frauen!] keine unnötigen Sorgen -- wir haben sie mit den besten Versicherungen, die in der Lebenswelt zu haben sind, ausgestattet.


Ich darf en passant anläßlich des Kommentars von Herrn Levold [Hg. des von mir sehr geschätzten Systemagazins] anmerken, daß die Dekonstruktion ein wissenschaftliches Verfahren in Philosophie und Soziologie darstellt, dessen Risiken und Nebenwirkungen in der Literatur nicht immer hinreichend gewürdigt werden. Optimalerweise führt es dazu, daß stark verschmutzte Beobachtungsverhältnisse und schon angegraute Selbstbeschreibungen von Gewißheiten, Sicherheiten und Selbstverständlichkeiten theoretisch gereinigt und anschließend postmodern durchgeschleudert werden.


Die weiße Weste des Richtig Beobachtenden kann sich dann nur noch anziehen, wer nichts anderes im Schrank hat. Die Frage, ob man dem Design-Problem dadurch entgehen kann, wenn man aufgrund der draussen grassierenden Unsicherheit einfach zu Hause bleibt, muss wohl abschlägig beschieden werden, denn auch da wird man nicht ständig nackt herumlaufen wollen.


Freilich kann sich das in Einzelfällen bei Individuen auf eine -- nur oberflächlich -- cartesische Art auch so entäußern: „Cogito ergo sum“. Mutatis mutandis: in Bezug gesetzt zu hiesiger Theorie: „Ich unter-scheide, also frage mich, wieso die Seite und nicht die andere?“ Wenn das Individuum dann weiß, daß es das nicht weiß, was es weiß, kann es beginnen, das bisher Gewußte zu verlernen [„bewußte Inkompetenz“: aber hier gerade nicht pejorativ gemeint].


Die Sondentieferlegen meint übrigens Analysen mit einem höheren Auflöse- und Rekombinationsvermögen als die bekannte Tradition durchzuführen. Wir könnten kleinzeitig fragen, wie sich soziale Systeme bildeten und verändert haben [Beratungssysteme].


So vorverunsichert darf das zunächst so beantwortet werden, daß sie sich ganz einfach per Zufall bildeten, z.B. vor 20.000 Jahren in den Savannen Ostafrikas. Ein historisch-narratives Beispiel: Langsam und vorsichtig begegnen sich zwei Jäger, ihre Neugier läßt sie bis auf gute Sicht- und Hörweite herankommen. Einer hält den Kopf und seinen Speer etwas sehr schräg. Alter hat nun zuerst zwei Möglichkeiten das Verhalten zu verstehen [IMV]. Er kann die Kommunikation anführen [ah Neugier --> vielleicht könnte man endlich die neuesten Wasserstandsmeldungen erfahren] oder abbrechen [oh, oh, nichts wie weg hier --> der will ja gar nicht reden].


In der postmodernen Beratung „sitzen“ sich mindestens zwei psychische Systeme gegenüber [Frau Solkowa {Bekannte wartet draussen} und Kollegin Sozialarbeiter], die ihre Heimatkörper nutzen, um mittels optischer, akustischer und anderer Signale zu kommunizieren. Auf diesem Bündel von psychischen Erwartungen und Erwartungserwartungen sind noch die jeweiligen Rollenerwartungen, die die Organisationen [ASD] an Publikum und Leistungsträger haben, draufgesattelt.


So läßt sich denken, daß der prinzipiell unbegrenzte Möglichkeitsraum sich zueinander zu verhalten, so eingeschränkt wird, daß eine an und für sich unwahrscheinliche Interaktion – persönliche Beratung als Hilfe – zustande kommt. Die Kommunikation wird so verriegelt, daß es ziemlich unwahrscheinlich wird, daß die Kommunikation auf abschüssiges Gelände kommt: z.B. der Sozialarbeiter plötzlich zum Klienten wird; z.B. der Klient mit dem Sozialarbeiter ein Intimsystem bildet; z.B. beide anfangen zu klimpern [Kennen Sie das? Haben wir als Kinder gespielt; jeder wirft ein Geldstück an die Wand, das nächstliegende Geldstück gewinnt].


Zurück ins Amt: Zwei Hypothesen gewinnen -- noch unausgesprochen -- im komm. Beratungsssystem an Boden und vielleicht an Adressen.


Die erste könnte besagen, daß Frau Solkowa trotz ihrer Emotionalität einigermaßen präzise über ihr Erleben informieren möchte [Erleben ist Konstruktion {weil auch anders – z.B. später -- beobachtbar}]. In dem Falle wäre die Differenz von Information und Mitteilung gering. Die Information wäre die, daß -- wer hat eigentlich die Unterscheidung Alkoholiker/Unmarkiert in das Spiel gebracht – sie sich trennen will, obwohl sie ihren Mann liebt, weil er -- expressis verbis -- ertrinkt und sie ihn dabei aber nicht begleiten wird.


Frau Solkowas handlungsanleitende Beobachtung [Form der Unterscheidungen] wäre: Trennung bei Trinken/ Bleiben bei Nichtrinken. Auf die Mitteilungsform [hoch emotional] der Bürgerin soll von Seiten der Kollegin [Organisationserwartung] mit kongruenten Mitteilungsformen reagiert werden.


Die beratungsanleitende Beobachtung der Sozialarbeiterin: mögliche Beratung zu Trennungsmodalitäten/Koabhängigkeitssyndrom etc. pp.. Unterschlagen werden darf hier nicht, daß der Kontext in einem x-beliebigen ASD mehr als eine technisch-informierende Beratungsform selten hergibt. Falls doch, kann so weitergemacht werden. Unsere Methodik, Unterscheidungen einzuschleusen, ist mit der Theorie verschwistert: das Mittel der Wahl ist dann das zirkuläre Fragen.

„Wie, glauben Sie, geht es Ihrem Mann damit, wenn Sie ihn jetzt verlassen?“ etc.pp. [das Risiko dabei: wer moralisch klingt, bekommt oft selbst moralisch was zu hören].


Die zweite Hypothese: Frau Solkowa informiert über etwas, was so nicht erlebt wurde [natürlich sind wir nicht auf der Suche nach der Wahrheit, sondern auf der Suche nach anschlußfähiger Kommunikation]. Darf ich mal so sagen: Ihre Beobachtungsform könnte die sein: alte Liebe/neue Liebe [das Intimsystem zum Bekannten läßt sich – u.a. aufgrund der aktuellen Häuslichkeit des Mannes -- nicht mehr komfortabel unterhalten].


Die Sozialarbeiterin „versteht“ implizit und berät z.B. explizit an folgender Unterstützungsform entlang: neue Wohnung  Wohnungssuche/Einzug beim Bekannten  Sozialrechtliche Konsequenzen.


Seien Sie bitte nicht all zu streng mit den beiden Hypothesen: jeder Text stellt eine Simplifikation dar – es könnte alles auch ganz anders sein.


Nun ja, so weit so gut.


Ich habe aber noch eine -- mehr für mich -- schlechte Nachricht für Sie. Morgen werden wir, wenn die See sich weiter so verständig zeigt, endlich Terra Constructa erreichen.


Bleiben Sie bitte verunsichert.


Mit herzlichen Grüßen


Jan v. Wirth