Breivik-Gutachten

Jetzt gibt es also zwei, sich widersprechende psychiatrische Gutachten zur Schuldfähigkeit von Anders Breivik, dem norwegischen Amokläufer.


Die Widersprüchlichkeit der Bewertungen macht die Problematik jeglicher psychiatrischer Begutachtung deutlich. "Verminderte Schuldfähigkeit" kann ja nicht als objektivierbares Faktum festgestellt werden - genauswenig wie Verantwortlichkeit -, sondern es handelt sich um ein mehr oder weniger nützliches soziales Konstrukt. Es geht - wie der wunderbar klare Begriff zeigt - um die Frage der "Zurechnung" eines Geschehens. Wird es Entscheidungen eines handelnden Subjekts (auch ein fragwürdiges Konstrukt) kausal zugerechnet oder einem autonomen Prozess?


Wird z.B. Herr Breivik als "nicht-zurechnungsfähig" begutachtet, dann werden aus seinen Morden eben die Folgen einer Krankheit, um nicht zu sagen: Symptome. Oder, um es noch deutlicher zu sagen: Er wird zum Opfer (einer Krankheit). Wird er hingegen als "schuldfähig" angesehen, dann ist er Täter.


Generell ist es problematisch, Taten aufgrund ihrer Motive zu bewerten. Und es spielt immer eine gewisse Willkür hinein.


Heute habe ich z.B. gelesen, dass König Juan Carlos von Spanien im Alter von 18 Jahren seinen kleinen Bruder erschossen hat. Aus Versehen, selbstverständlich. Kein Grund, auf die Thronfolge zu verzichten... Kein Täter. Eher Opfer eines Unfalls. Shit happens.


Radikale Psychiater - an erster Stelle Thomas Szasz - fordern ein reines Tatstrafrecht. Auch das ist sicher nicht ohne Probleme. Kann man Kinder, die sich oft - wie auch ich finde - nicht der Folgen ihrer Taten bewußt sind oder sein können, wirklich zum Tode verurteilen (wie in den USA ja immer wieder gefordert)?


Auf jeden Fall sollte klar sein, dass es bei der psychiatrischen Begutachtung immer (auch) um höchst politische Fragestellungen geht...