Bhutto

Im Tagesspiegel von heute schreibt ein Ethnologe über Pakistan. Mir scheint vieles davon bemerkenswert, gerade aus systemischer und konstruktivistischer Sicht.


Wir blicken immer auf Pakistan mit unserer westlichen Brille und messen die Geschehnisse dort an unseren westlichen Normvorstellungen. Wir sehen in Benazir Bhutto die Führerin einer politischen Partei, eine Ex-Ministerpräsidentin usw.


Was wir nicht in ihr sehen, ist die Repräsentantin einer Familie, eines Clans und ähnlicher, aus unserer Sicht vormoderner sozialer Gebilde.


Es sind nicht die abstrakten politischen Prinzipien der Gewaltenteilung etc., die wir für das Ideal gesellschaftlicher Organisation halten, die dort wirksam sind, sondern die Logik der Auseinandersetzung und Kooperation von Clans, Stammesfehden und Familien. Das sind die Akteure, die seit langer Zeit in eher feudaler Weise ihren Anspruch auf Macht zeigen, realisieren und miteinander im Wettstreit liegen.


Deswegen kann auch die Tochter eines Ministerpräsidenten (der von seinen Gegnern gehenkt wurde), wenn die Machtverhältnisse sich wieder ändern, selbst Ministerpräsidentin werden. Und deswegen ist letzte Woche auch nicht eine einzelne Politikerin umgebracht worden, sondern die Vertreterin solch einer Familie.


Und nur so ist nachvollziehbar, dass heute ihr 19-jähriger Sohn zu ihrem Nachfolger als Vorsitzender ihrer Partei gewählt worden (mit seinem Vater als offiziellem Berater).