Bewaffnete Eltern

Wenn man die einzelnen Fälle von School-Shootern analysiert, so haben fast alle (soviel ich weiss) die verwendeten Waffen von ihren Eltern bekommen. Nicht, dass die ihnen die Gewehre, Pistolen, Schnellfeuerwaffen etc. in die Hand gedrückt hätten, aber die Waffen gehörten zum häuslichen Inventar, standen in einem Schrank im Keller oder lagen in der Nachttischschublade Papas.


Im Fall des Killers von Newtown war die Mutter mit ihren Kindern - so liest man - regelmäßig auf dem Schießstand. Sie selbst war Waffensammlerin.


Diese minimalen Daten reichen natürlich nicht wirklich, um eine Analyse der Familiendynamik vorzunehmen. Aber immerhin lassen sich ein paar Vermutungen anstellen (sehr vage, zugegeben).


Wer sich Waffen anschafft und zu Hause hat, denkt wahrscheinlich, wenn er nicht wirklich reiner Sportschütze ist (der hat sie meist im Verein), dass er sich selbst verteidigen könne und müsse, wenn "das Böse" bei ihm einbricht. Das Individuum als Überlebenseinheit, die sich selbst schützen muss, weil es sonst keiner macht. Vertrauen in das soziale Umfeld ist offenbar keine Basis für einen ruhigen Schlaf. Die Welt ist voller Übeltäter, und die Institutionen des Staates funktionieren nicht...


Für die Gründungssituation der USA ("Wilder Westen") mag das 2nd Amendment, das jedermann erlaubt eine Waffe zu tragen, Sinn gemacht haben. Aber wer heute noch so denkt, der hat sicher ein soziales Problem. Und er hat ein psychisches Problem, weil er das Individuum als Überlebenseinheit konzeptualisiert. Wer das macht, muss versuchen Kontrolle über seine Umgebung zu gewinnen oder zumindest über alle bedrohlichen sozialen Situationen. In solch einem Weltbild gewinnen Waffen ihren Sinn.


Wer seinen Kindern ein Weltbild vermittelt, dass er oder sie allein gegen den Rest der Welt leben könne und die Kontrolle über andere gewinnen könne, der lädt ein zum Waffengebrauch. Denn nur unter Gewaltandrohung können soziale Kontrollideen aufrechterhalten werden.


Wenn das Ganze dann noch mit erlittenen Demütigungen gekoppelt wird (etwa, weil ein Kind/Jugendlicher nicht dem Ideal des allein durch die Prärie reitenden, kompetenten und starken Cowboys entspricht), dann ist es nicht weit zum Massaker. Wer 20 oder 30 Leute killt, beweist sich als kompetentes und potentes Individuum. Und er (sie tut so etwas meist ja nicht) hat vorübergehend die Kontrolle gewonnen, seinen Stolz und seine Ehre (in den eigenen Augen) wieder hergestellt. (Und Schulen sind überproportional oft Orte der Demütigung...)


Das Schul-Massaker ist eine Form des individuellen Kriegs gegen den Rest der Welt. Und bei Kriegen geht es in der Regel um die Weiderherstellung von Ehre und Stolz - noch vor allen materiellen Interessen - auch um den Preis des eigenen Tods.