Berlusconi

Wie kann in einem zivilisierten, von vielen sehr vernünftigen und mit gutem Geschmack begabten Menschen über alles geliebten Land wie Italien, das neben Griechenland die Wiege der abendländischen Kultur bildet, ein solcher Cretin wie Silvio Berlusconi von der Mehrheit der Bevölkerung zu ihrem Ministerpräsident gewählt werden?


Wenn man den publizierten Analysen glaubt, dann deshalb, weil er kein (Berufs-)Politiker ist und sich von ihnen abgrenzt. Das mag ja als Motiv zunächst verständlich erscheinen - vor allem in einem Land, in dem Politiker sich über Jahrzehnte als korrupter erwiesen haben (siehe oben "Il Divo") als üblicherweise zu erwarten.


Aber Berlusconi wählen heißt Teufel durch Beelzebub auszutreiben. Das wäre so als würde in Deutschland aus Enttäuschung über Gerhard Schröder, Helmut Kohl und Angela Merkel nun Roland Kaiser zum Kanzler gewählt (B. war ein ganz erfolgreicher Schlagersänger). Allerdings ein Roland Kaiser, der noch über den Bertelsmann-Konzern herrscht, offensichtlich kriminell ist und systematisch versucht, das Rechtswesen ausser Kraft zu setzen und die staatlichen Institutionen nach seinen persönlichen Bedürfnissen umzubauen. (Roland Kaiser sei um Entschuldigung für den Vergleich gebeten.)


Ich sehe mehr oder weniger regelmäßig die Nachrichten im italienischen Fernsehen und daher auch Berlusconis Auftritte. Es ist einfach nicht zu fassen. Er kann machen, was er will: Minderjährige verführen, fremde Staatsoberhäupter brüskieren, die Wirtschaft zugrunde richten, das Parlament entmachten, das Recht beugen, Erdbebenopfer zu Campingurlaubern umdeuten - er scheint jenseits des Status zu sein, in er sich noch disqualifizieren kann. Es ist eine gehobene Form der Unzurechnungsfähigkeit, d.h. ihm wird nichts zugerechnet, was immer er tun mag.


Ich verstehe Italien nicht. Kann mir das alles vielleicht mal jemand erklären?