Axolotl Guttenberg

In den letzten Jahren ist in der Presse, in Rundfunk und Fernsehen viel zu wenig über Doktorarbeiten diskutiert worden. Stattdessen wurde über Kochrezepte, Superstars und das Leben in Dschungelcamps philosophiert. Die Spannung, die mit Doktorarbeiten - wer hat was geschrieben? wird der Titel anerkannt? aberkannt? was ist Original? was Zitat? wo hätte eine Fußnote hingehört? usw. - verbunden ist, blieb bislang einer breiteren Öffentlichkeit verborgen.


Daher ist unserem Verteidigunsminister zu danken, dass er - nach Bundeswehr- und Gorch-Fuck-Reform - nun auch diesem Mißstand Abhilfe verschafft.


Über Plagiate wäre ja viel zu sagen..., vor allem im Bereich der Wissenschaften. Denn sie beruhen ja darauf, dass die Ideen, Erkenntnisse und Konzepte Anderer aufgenommen und weiterentwickelt werden. Wenn dies geschieht, kommt die Frage nach der Urheberschaft ins Blickfeld. Wer schon einmal in einem Team geforscht hat, weiss, dass neue Einsichten und Modelle nur selten in einzelnen Köpfen entstehen, sondern in der Kommunikation (=Mehr-Hirn-Denken). Sie entstehen zwischen den Menschen, so dass nicht mehr feststellbar ist, wer nun genau welche Idee eingebracht hat, zumal er sie auch gar nicht gehabt hätte, wenn nicht ein anderer vorher ein anderes Stichtwort gegeben hätte usw. Die Idee des Autors als genialem, abgegrenztem Einzelnen - dem intellektuellen Held - ist schon lange nicht mehr aufrecht zu erhalten. Deswegen stehen heute auf Fachartikeln in der Regel viele Namen von vielen Autoren.


Trotzdem gibt es das natürlich immer wieder, dass jemand glaubt, seine Ideen seien gestohlen worden. Aber dem steht entgegen, dass bestimmte Probleme (=wissenschaftliche Fragestellungen) mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch ähnliche Lösungen zur Folge haben. So zeigt die Menschheitsgeschichte eine Vielzahl von Doppelerfindungen und -entdeckungen, die mehr oder weniger gleichzeitig in unterschiedlichen Gegenden der Welt hervorgebracht wurden.


Bei Texten ist das schwieriger. Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Personen wortwörtlich denselben Text unabhängig voneinander produzieren, ist verschwindend gering.


Ob die Arbeit von Herrn Guttenberg originell und wissenschaftlich wertvoll ist, kann ich nicht beurteilen. Das kann sie auch sein, wenn er ein paar Textpassagen wörtlich von anderen Autoren geklaut sein sollten (was ja wohl belegt ist).


Was ihm aber in jedem Fall vorgeworfen werden muß - und das sollte für einen Verteidigungsminister tödlich sein - ist Dummheit.


Für wie blöd hält er denn den Rest der Menschheit, dass er denkt, so etwas fällt nicht auf. Das mag ja noch bei einem NoName funktionieren, dessen Doktorarbeit nur von Mutter und Tante gekauft (und nicht gelesen) werden, aber nicht bei jemandem mit politischen Ambitionen. Und die hat er sicher auch im Jahre 2006 schon gehabt, als die Arbeit abgegeben wurde...


Ein intellektueller Held ist Rodkill Guttenberg sicher nicht.