Auf Wiederschreiben

Eine auf- und anregende Woche habe ich mir zu Beginn gewünscht und habe mich als erste Frau des Hauses an die Kehr-Arbeit gemacht. Nun bricht der letzte Tag der systemischen Kehrwoche für mich an und ich hänge das Schild meinem Nachfolger an die Türe - mit einem lachenden und einem weinenden Auge.


Das lachende Auge freut sich darüber, denn ich habe den zeitlichen Aufwand, wie immer beim Schreiben, unterschätzt. Als ich gefragt wurde, ob ich in dieser Woche Zeit hätte, meinte ich zuversichtlich: Ja, habe ich und dachte dabei daran, dass ich nicht unterwegs sein würde. Dass aber mein Alltag mit Praxis, Familie und dem ganz normalen Wahnsinn drum herum wenig Zusätzliches verträgt, habe ich mal wieder vergessen - und die Rechnung mit nächtlichen Computersitzungen bezahlt...

Dieses Auge lacht auch noch aus einem anderen Grund: Fritz Simon schrieb am 17.Juni, dass diese Kehrwoche wohl auch "eine Übung im Autismus" genannt werden könne und veranlasste dankenswerterweise die Möglichkeit, dass "vermutete Leser" Kommentare abgeben können - vielen Dank an all die realen Leser, die das auch taten! Als Anhänger der schreibenden Zunft kenne ich diesen "autistischen" Anteil auch, um mich zu überlisten, stelle ich mir immer eine Gruppe von mir bekannten Menschen vor, für die ich schreibe - aber die Gruppe der Leser der systemischen Kehrwoche verlor sich manchmal in den Weiten des Internets für mich... Eine der "Wechselwirkungen" dieser Kehrwoche waren also durchaus auch Zweifel (WER will überhaupt WAS lesen? Schreibe ich zu theoretisch, zu persönlich oder beides zusammen... usw) und insofern ist auch eine Portion Erleichterung dabei, wenn ich das Kehrwochenschild an meinen Nachfolger weiter reiche!


Womit ich auch schon beim weinenden Auge wäre, denn das Schreiben für die Kehrwoche hat gleichzeitig auch ganz andere "Wechselwirkungen" und die haben mir richtig Spaß gemacht!

Schreiben ist immer ein kreativer Prozess für mich, mit allen Ups and Downs, aber wenn die Sprache dann irgendwann "fließt", fühle ich mich eben als Teil des Flusses: dann brauche ich mir keine Leser mehr vorzustellen, ich bin mit ihnen verbunden und gleichzeitig ganz bei mir, eine erfüllende Erfahrung.

Schon zu Beginn der Woche hatte ich ja gemerkt, dass sich der Fokus meiner Wahrnehmung, mein "Aufmerksamkeitsscheinwerfer" durch die Kehrwoche verschob und mich gefragt, ob mir dadurch wohl auch anderes begegnen würde. Dies lässt sich natürlich schwer feststellen, sicher ist aber, dass diese Woche für mich eine andere Bedeutung bekommen hat, dass meine Wirklichkeit durch das Schreiben auf vielerlei Weise beeinflusst wurde und dass mich diese Erfahrung freut: ich sehe das montägliche Chaos meiner Kinder tatsächlich mit anderen Augen; in meiner Jogginggruppe werde ich von Ihren Kommentaren und von den Kolleginnen vom "Neustädter Elfenalarm" berichten können; ich bin mir auf unvermutete Weise einiger Schwerpunkte bewusst geworden, die ich für mein Leben setze, es gibt da wohl so etwas wie einen roten Faden; meine Grundidee für diese Kehrwoche, nämlich ein bisschen Theorie "wechselwirken" zu lassen mit meiner persönlichen Woche, wird sicher auch in meine zukünftige Sichtweisen hineinwirken; in Sachen Perspektivenwechsel habe ich mein Repertoire um die Sichtweise eines Journalisten erweitert, dessen Kolumne jeden Morgen erscheint (und bin damit meinem Vater nahe gewesen, der gerne Journalist geworden wäre)...

Und dann natürlich die Wechselwirkung mit Ihnen und Euch, die in Kommentaren bisher sichtbar gewordene und die unsichtbar gebliebene, sowie die, die sich noch zeigen wird - dieser Aspekt der Kehrwoche bringt nicht nur Zweifel, sondern macht auch richtig Spaß. Und lässt sich ja sicher mit der Zeit noch ausbauen, das wünsche ich jedenfalls allen bisherigen und zukünftigen Beteiligten!


Herzlichen Dank an die InitiatorInnen vom Carl-Auer Verlag - auf Wiederschreiben und auf Wiederlesen!