Attraktive Silberhochzeit

Diesen (vielleicht ersten Teil-) Samstag-Blog verfasse ich grad Freitagnachmittag. Wir (meine Frau + ich) sind nämlich zur Silberhochzeit eingeladen. Bei Rita + Arist v. Schlippe (der den meisten Bloggern bekannt sein dürfte). Wer weiß, wann wir heute Nacht nach Hause kommen. Wer weiß wann (und wie!) ich morgen aufstehe. Besser also, jetzt vorzubloggen.


(Den aufmerksamen Datenschützern – gut so! – sei versichert, dass ich nicht ungefragt Privates in die Welt plaudere, sondern mir schon vor 1 Woche das o.k. von Arist geholt habe: War ja zu vermuten, dass dieses Ereignis für ein Blog-thema gut sein würde…

übrigens: wer gratulieren möchte: arist.schlippe@uni-osnabrueck.de oder:

Schlippe@uni-wh.de ).


Für Konstruktivisten und Systemiker ist eine Silberhochzeit – also: 25 Jahre mit demselben Partner im offiziellen Stand der Ehe – ein gefundenes blog-„Fressen“. Angefangen von den „Ritualen“ und dem „Phasenübergang“ beim „JA“. Bekanntlich nach wie vor ein Akt der Magie: was ändert sich nicht alles, wenn der Standesbeamte und/oder Pastor verkündet: „Hiermit erkläre ich Euch zu Mann und Frau!“ (oder so ähnlich). Ich selbst kenne mindestens 3 Paare, die 10 Jahre und länger zusammenlebten, dann meinten, nun schade das Heiraten auch nichts mehr, dies umsetzten - und nach ca. 1 Jahr getrennt waren. Unterschätze mir niemand die Macht alter und neuer familiärer Dynamiken, die Erwartungen und Erwartungs-Erwartungen von allen Beteiligten, die Kraft neuer Narrationen, Sinndeutungen und Selbstverständlichkeiten… !


Und dann natürlich: „25 Jahre! „ - klingt aus dem Munde eines Richters wie „Knast!“. Hier aber sorgen nicht die äußeren Gefängnismauern für Stabilität in der Lebensdynamik: Nein, es sind „Attraktoren“ am Werk, welche die Lebens- und Interaktionsprozesse zweier Menschen bei aller Dynamik hinreichend stabil halten. (Ausnahmsweise mal ein Aspekt, zu dem sogar die „Autopoiese“ was theoretisch beisteuern könnte). Natürlich gehört zu diesen attrahierenden Kräften, dass sich die beiden über so lange Zeit attraktiv finden. (Es gibt zwar auch eheliche Zweckgemeinschaften, die 25 Jahre halten, und dann quasi ein Geschäftsjubiläum begehen – aber, soviel darf gepetzt werden: das gilt für Rita und Arist v.S. nicht: die finden sich echt noch irgendwie attraktiv). Wobei auch Attraktivität nicht verdinglicht gemeint ist und gemeint sein kann: auch die Attraktivität muss immer wieder neu errungen und realisiert werden. Und eigentlich sollte man sowieso von Ko-Attraktivität sprechen: wäre ja auch schwierig, wenn nur einer verheiratet ist und der andere nicht.


Wir haben hier also ein Musterbeispiel für eine dynamische Stabilität, die ich sonst immer an einer Kerzenflamme erkläre: Die Stabilität ergibt sich nicht durch die Identität der Elemente und ihrer Strukturen (wie beim Kerzenstummel) sondern dadurch, dass zu jedem Zeitintervall andere Elemente an einem Prozess beteiligt sind, der „Flamme“ heißt, und seine begriffliche Identität (die Flamme) eben nur durch strukturelle Konstanz des Prozesses erhält.


Doch bevor ich nun ein ganzes Lehrbuch über Systemtheorie verfasse (bzw. abschreibe), was ohnedies niemand im Netz lesen will, lasse ich’s bei diesen wenigen Anknüpfungspunkten bewenden. Muss mich jetzt sowieso umziehen! Man ahnt aber an diesen einführenden Worten, dass eine Silberhochzeit eigentlich nur dazu dient, ein praktisches Beispiel für Belehrungen in Systemtheorie abzugeben.

(Wem diese Argumentation nicht sofort einleuchtet, hat sich offenbar bisher weinig mit evolutionsbiologischen Argumentationsfiguren auseinandergesetzt - und sollte besser auch in Hinkunft die Finger davon lassen).


In diesem Sinne werde ich heute Nacht in die brennenden Kerzen blicken und den beiden wünschen, dass ihre Flamme (oder Ko-Flammen – je nach Perspektive) noch lange nicht erlöschen möge(n). Ach ja, Essen und Trinken wollte ich auch noch was. Und feiern. Allein schon, dass die Menschen immer wieder so schöne Realisationen von Attraktoren produzieren. Worüber sollte man schreiben, wenn´s das nicht gäbe ?