Arabische Familienunternehmen

Meine Erfahrung in Kairo auf einer von Wittener Studenten organisierten Tagung für Familienunternehmer haben mich zur Hypothesenbildung über einen Unterschied (unter wahrscheinlich vielen) zwischen deutschen und arabischen Familienunternehmen verführt.


Hier in Mitteleuropa und den USA stehen die Unternehmen (vor allem die großen, die viele Generationen alt sind) vor der Frage, wie sie mit den Paradoxien umgehen sollen, die aus den unterschiedlichen Spielregeln von Organisationen und Familien resultieren. Wer den aus familiären Regeln abzuleitenden Imperativen folgt, verstößt gegen die Spielregen und Rationalitäten von Unternehmen als Organisationen - und vice versa. Sich hier nicht für die eine Seite zu entscheiden, sondern sich dem Konflikt von Fall zu Fall zu stellen und ihn jeweils neu zu entscheiden, ist das Erfolgsrezept von Familienunternehmen.


In Arabien, so mein - nicht durch empirische Studien überprüfter - Eindruck, stellt sich die Frage nach der Bewältigung oder Entfaltung dieser Paradoxie gar nicht, denn Unternehmen werden gar nicht als Organisationen betrachtet, sondern - wie bei uns in der Zeit vor der industriellen Revolution - als Erweiterung der Familie. Das Geschäft wird vom jeweiligen Familienoberhaupt sehr personenorientiert betrieben. Er verhandelt mit den Lieferanten und Kunden, und die erwarten, mit ihm zu verhandeln. Das ganze Business beruht auf einer radikalen Personenorientierung. Die Firma als Erweiterung der Person des Unternehmers. Externe Rollenträger gibt es zwar, aber sie können nie die Rolle des Unternehmers übernehmen. Der Markt als ein Netzwerk persönlicher Beziehungen, das historisch gewachsen ist.


Wenn meine These/mein Eindruck stimmt, dann hätte dies zur Folge, dass die Wachstumsmöglichkeiten solcher Unternehmen sehr begrenzt sind. Denn das ist ja der wesentliche Vorteil von Organisationen, dass sie die Abhängigkeit von konkreten Personen dadurch relativieren, dass sie Stellen und Rollen und Funktionen und Strukturen schaffen, die für die Austauschbarkeit der einzelnen Akteure sorgen.


So viel ich weiss, gibt es in den Emiraten auch Börsen und Aktiengesellschaften. Aber die sind wahrscheinlich ja eher in der Hand von Mitgliedern der jeweiligen Herrscherfamilien. Vielleicht sind also die Herrscherfamilien in Arabien das Gegenstück zu den Multi-Generationen-Familienunternehmen bei uns.


Aber das sind alles natürlich erst mal nur Spekulationen und Eindrücke. Vielleicht kennt sich ja jemand in jener Gegend der Welt aus? Dann sollte er uns aufklären! Oder er will es beforschen?