Araber

"Araber, ich habe mich nie als Araber gefühlt, weißt du. Es ist wie die Negritude, die nur durch den Blick des Weißen existiert. Im Viertel, in unserer Welt, war man Muslim, man hatte einen Vornamen, ein Gesicht und Gewohnheiten. Punkt. Sie war »die Fremden«, die Roumis, die Gott uns geschickt hatte, um uns auf die Probe zu stellen, aber deren Stunden auf jeden Fall gezählt waren: Sie würden eines Tages gehen müssen, so viel war sicher. Deshalb antwortete man ihnen nicht, man fand sich mit ihrer Präsenz ab und wartete, mit dem Rücken zur Wand.


(...)


Wir wussten es alle, und das von früher Kindheit an, und wir brauchten nicht einmal darüber zu reden, so sehr wußten wir, dass sie am Ende wieder gehen würden. Wenn es vorkam, dass wir durch ein europäisches Viertel gingen, machten wir uns sogar einen Spaß daraus, auf die Häuser zu zeigen und sie wie eine Kriegsbeute unter uns zu aufzuteilen: »Das ist meins, ich habe es zuerst berührt«, stieß einer von uns aus und löste ein großes Geschrei aus. Mit fünf Jahren schon! Kannst du dir das vorstellen? Als hätten wir schon geahnt, was bei der Unabhängigkeit passieren sollte, dann allerdings mit Waffen."


aus: Kamel Daoud: "Der Fall Meursault - eine Gegendarstellung", S. 92f., (Kiepenheuer & Witsch)