Annie Leibowitz

Seit ein paar Tagen ist im Berliner Postfuhramt eine Ausstellung der Fotografin Annie Leibowitz zu sehen. Sie ist zweifellos eine der erfolgreichsten Fotografinnen der letzten 30 Jahre. Das zeigt sich u.a. darin, dass sie immer wieder engagiert wird, um Prominente zu fotografieren. Zuletzt Michelle Obama für das Titelbild von Vogue (glaub ich).


Ich will hier nicht die allgemeinen Lobeshymnen wiederholen, die überall zu lesen sind (obwohl ich ihnen jederzeit und ohne Abstriche zustimmen würde), sondern ein Bild der (auf jeden Fall von jedermann pflichtmäßig zu besuchenden) Ausstellung herauspicken, das mich besonders beeindruckt hat. Es ist ein Foto aus dem Dezember 2001 des amerikanischen Kriegskabinetts (ich weiss nicht, ob das der offizielle Titel ist, denn Krieg war damals ja noch nicht, außer der gegen den Terrorismus - und das war ja m.E. keiner). Es ist im Stile eines Familienfotos gestaltet. In meiner Jugend wurde von meiner Familie auch mal solch ein Foto gemacht. Man sitzt - offensichtlich gestellt - zusammen und schaut erwartungsvoll in die Kamera. Mutter, Vater und die Kinder, das Urbild der Familie, wie sie sich in Harmonie und ordentlich dem Beobachter (=Fotografen) präsentiert.


Hier sind es George W. Bush, Dick Cheney, Donald Rumsfeld, Condoleeza Rice, CIA-CheF Tenet (ich weiss, CIA-Chef ist kein Vorname, aber den richtigen weiss ich nicht mehr), Colin Powell. Das waren sie, glaube ich.


Eine merkwürdige Patchworkfamilie. Mit einer zu jungen Mutter (oder ist es nicht doch die Schwester und die Mutter fehlt?), mehreren strengen Vätern (Rumsfeld und Cheney), einigen netten Onkels und einem zwar vom Alter her erwachsenen Sohn, der aber unreif wirkt und signalisiert, dass man auf ihn aufpassen muss (= der Präsident).


Merkwürdig, dieses Foto. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Annie Leibowitz nicht wußte, was sie da inszenierte. Und das war lange vor dem Einmarsch in den Irak.