Amtsdeutsch/Juristendeutsch

Ich habe vor einigen Tagen ein Schreiben von einem Amt bekommen.


Ich hatte rückwirkend für ein paar Jahre Kindergeld beantragt, von dem ich bis dahin nicht wusste, dass es mir zusteht. Da ich so gut wie nie damit rechne, dass mir irgendjemand (z.B. der Staat) Geld gibt, ohne dass ich dafür eine Gegenleistung erbringe, war ich von der Chance angenehm überrascht.


Die Antwort auf mein erstes Schreiben war so, dass ich unmittelbar den Impuls hatte zu antworten: Ich sage nichts mehr ohne meinen Anwalt. Obwohl ich ja nichts Böses getan hatte, war das Schreiben voller Drohungen, z.B. man werde prüfen, wenn ich diese oder jene Bescheinigung nicht beibrächte, ob ich unberechtigterweise Zahlungen erhalten hätte, sie dann zurückfordern usw. (Dabei hatte ich doch noch gar keine Zahlungen erhalten.)


Ich habe also brav alle Bescheinigungen beigebracht und bekomme nun auch etwas Geld rückwirkend. Aber mitgeteilt wurde mir das wieder mit einem Brief, der so von Obrigkeitlichkeit triefte, dass ich mich in mittelalterliche Verhältnisse zurück versetzt fühlte. Geh nicht zu deinem Fürst, wenn Du nicht gerufen wirst (alte Bauernregel).


Wahrscheinlich liegt es ja daran, dass solche Schreiben und Formulierunen gerichtsfest sein müssen, d.h. in Juristendeutsch verfasst. Aber das Beziehungsangebot, das in dieser Art von Formulierungen impliziert ist, finde ich sehr merkwürdig.


Offenbar ist das aber die Art, wie Juristen zu sprechen - und vielleicht auch - zu denken gelehrt werden.


Allerdings kenne ich auch genügend Juristen, die diese Lektionen nicht gelernt haben und nicht nur formal denken. Es gibt aber auch diejenigen, die das so verinnerlicht haben, dass sie die Kontexte nicht trennen können. Neulich habe ich einem, zu dem ich eine ausschließlich private Beziehung habe, einen Brief mit einer Bitte geschickt. Er hat geantwortet, als ob ich einen Antrag gestellt hätte, den er aus formalen Gründen ablehnen muss - hätte auch von o.g. Amt kommen können. Unmögliches Beziehungsangebot.