American Gangster

Wie der Titel verspricht: ein amerikanischer Gangsterfilm, nach "wahren Begebenheiten" (oder so ähnlich) gedreht.


Natürlich gibt es die üblichen Protagonisten: den aufstrebenden Gangster und einen ehrgeizigen, aber - merkwürdigerweise (und schwer erklärlich) nicht korrupten Polizisten. Zeit: Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre, als Amerika gerade die westliche Welt in Vietnam zu retten versuchte.


Gangster und Polizist scheinen die Gegenspieler zu sein, und natürlich verhaftet irgendwann der einen den anderen - schließlich ist das ein amerikanischer Film. Aber so einfach ist die Angelegenheit nicht. Denn schon die Besetzung der Rollen macht stutzig: der Gangster, Chef eines aufstrebenden Drogen-Imperiums, wird von Denzel Washington gespielt - und der spielt bekanntermaßen fast immer den "Guten". Sein Gegenspieler bei der Polizei wird von Russell Crowe gespielt, der sich in der Rolle etwas brüchigerer Charaktere am wohlsten fühlt (z.B. Nobelpreisträger, die Nachrichten von extraterrestrischen Wesen erhalten). Und der Polizist, den er spielt, ist offenbar ein lausiger Vater und Ehemann, vögelt wild durch die Gegend (Stewardessen - die symbolisierten in den 60ern Freizügigkeit in jeder Hinsicht). Aber: Er ist - eine Ausnahme - ein nicht korrumpierbarer Polizist. Das zeigt sich u.a. daran, dass er das Rechtsanwaltsexamen nebenbei macht (statt mit seinem Kind oder seiner Frau zu spielen) und eine bei der Verbrecherjagd gefundene Million Dollar beim Fundbüro abgibt. Alles in allem: Er verkörpert vieles, was guten Bürgern nur schwer einfühlbar ist.


Denzel Washington verkörpert das Gegenteil: Er hat Familiensinn, kauft seiner Mama einen Palast, läßt seine gesamten Verwandten im Familienbetrieb mitarbeiten, geht Sonntags in die Kirche und predigt Werte wie Ordnung und Zuverlässigkeit. Wer sich nicht an diese Regeln hält, der bekommt, was er verdient, d.h. zum Beispiel: Er wird auf der Straße durch Kopfschuß ausgeknipst. Recht muss Recht bleiben. Was ihn so erfolgreich macht, ist marktwirtschaftlich zu erklären: Ihm gelingt im Drogengeschäft die Markenbildung ("Blue Magic") und dadurch auch die Kundebindung, indem er besonders guten Stoff zu einem besonders guten Preis und eben mit einer zuverlässigen Qualität liefert. Was McDonalds für Hamburger ist Blue Magic für Heroin. Um die Kundenorientierung sicher zu stellen, verprügelt er auch schon mal jemanden (obowohl das eigentlich gar nicht so recht zu den eher fürs Piano geeigneten, zarten und manikürten Fingern Denzel Washingtons passt). Mit dieser Methode gelingt es ihm, dem Schwarzen, die eingefahrenen Machtstrukturen des bis dahin von der italienischen Mafia dominierten Drogenmarktes aufzubrechen. Es lebe die freie Marktwirtschaft. Der Bessere setzt sich durch (oder so ähnlich). Also: Der Gangster steht irgendwie für ur-amerikanische Werte. Deswegen passt es auch ins Bild, dass er seinen Stoff von der amerikanischen Luftwaffe transportieren läßt: die gewöhnliche Verquickung von militärischen und ökonomischen Interessen. Dass Särge von gefallenen Soldaten als Transportcontainer fungieren, leifert eine wahrscheinlich nicht beabsichtigte Symbolik.


Um die Geschichte abzukürzen: Aus diesen Gegenpolen kann man nicht wirklich eine gute Geschichte des Kampfes zwischen Gut und Böse stricken. Die wahren Bösen sind woanders zu suchen und zu finden: bei den korrupten Beamten des Drogenderzenats (75% von ihnen standen auf der Pay-roll von Drogensyndikaten - wie der Nachspann erklärt).


Mehr erzähle ich hier nicht, nur dass ich beruhigt das Kino verlassen habe, dass Denzel Washington nicht das Fach gewechselt hat. Manche Leute können einfach nicht richtig böse... Aber weil er so wenig zum Gut-böse-Klischee passte, fehlt dem Film auch emotional irgendwas. Man kann nicht richtig mitfiebern, ob der auf der Kippe stehende Gute nun doch noch siegen wird oder katastrophal scheitert. Soll man wirklich hoffen, dass der anständige Drogendealer mit Familiensinn, dessen Weg aber von Leichen gepflastert ist, gut davon kommt? Und soll man wirklich hoffen, dass er untergeht?


Der Film schön fotografiert, und ich habe ihn ganz gern gesehen (obwohl er für mich nicht zu den Highlights der Saison gehört; dazu war die Rolle des Gangsters denn doch noch zu glatt...).