ALG II

Gegenwärtig wird auf dem SPD-Parteitag über das Arbeitslosengeld II gestritten (besser gesagt: es wurde vorher gestritten, jetzt wird wahrscheinlich Eintracht gezeigt).


Die Frage, um die es dabei geht, ist - aus der Außensicht eines nicht direkt Betroffenen - eine Frage nach der zugrunde gelegten Logik des ALG-Systems.


Auf den ersten Blick scheint es der Gipfel der Ungerechtigkeit, wenn jemand ein langes Berufsleben lang in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt hat und dann, wenn er alt und nicht mehr fit ist, nach nur relativ kurzer Zeit der Arbetislosigkeit bzw. des Bezugs des ALG I, wie jemand, der nur kurz oder gar nicht eingezahlt hat, in die Riege der Hartz IV- Empfänger abgeschoben wird. Schließlich hat er unendliche Geldmengen in diese Kasse einbezahlt, und nun bekommt er nichts dafür zurück.


Die Logik, die hier zum Aufschrei "Ungerecht!!!" führt, ist die der sogenannten "Leistungsgesellschaft" und der mit ihr verbundenen Gerechtigkeitsidee: Wer viel leistet (= zahlt), soll auch viel erhalten (= Zahlungen). Wenn man das so sieht, dann ist diese Regelung der Gipfel der Ungerechtigkeit.


Dem steht eine andere Logik gegenüber: die von Versicherungen. Hier wird für ein nicht kalkulierbares Risiko, dem potentiell jeder ausgesetzt ist, solidarisch Vorsorge getroffen. Es ist wie bei der Kranken- oder der Feuerversicherung. Man zahlt einen regelmäßigen Beitrag, und wenn das Schicksal einen ereilt, dann ist man abgesichert, d.h. das verbrannte Haus wird - wenn es gut genug versichert war - ersetzt, so wie im Krankheitsfall die Arzt- und Krankenhausrechungen bezahlt oder erstattet werden.


Kaum jemand käme hier auf die Idee zu fordern: "Da ich lange Jahre nicht krank war und trotzdem meine Krankenversicherung bezahlt habe, muss ich das Recht haben, länger im Krankenhaus zu bleiben" oder "Da mir das Haus früher nicht abgebrannt ist, darf ich mir im Falle eines Brandes ein größeres Haus bauen..."


Zwei vollkommen verschiedene Logiken, die mit unterschiedlichen Emotionen verbunden sind. Das Problem scheint mir zu sein, dass niemand die Arbeitslosenversicherung (auch wenn sie so heißt) wie eine Feuerversicherung erlebt. Und vielleicht ist das ja auch wirklich ein Prinzip, das nicht funktioniert - zumindest ist es emotional nicht akzeptabel. Offensichtlich erscheint Arbeitslosigkeit als etwas anderes als Krankheit.


"Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not!" - derartige Bauernweisheiten scheinen eher die Erwartungen und die Logik des Erlebens zu bestimmen. Nun hat man lange Jahre gespart und hat doch nicht in der Not. Eine Versicherung ist eben kein Sparvertrag, auch wenn die meisten Menschen das denken. Und es stellt sich ja wirklich die Frage, ob hier das Versicherungsprinzip angemessen ist und das Ganze nicht eine Fehlkonstruktion ist.


Was theoretisch interessant ist: Wir sehen einen paradoxen Effekt des Solidarprinzips. Die Betroffenen haben das Gefühl, aus der Solidargemeinschaft zu fallen, weil formal das Solidarprinzip angewandt wird.