Abduktion - Retroduktion

Die aus konstruktivistischer Sicht spannendste Form, wie wir zu unseren Wirklichkeitskonstruktionen kommen, ist die Hypothesenbildung bzw. das Konstruieren von Hypothesen.


Aristoteles hat diese Schlußform als Abduktion bezeichnet, Charles S. Peirce nennt sie - wahrscheinlich passender - Retroduktion (in Abgrenzung zu Deduktion und Induktion).


Sie folgt folgendem Muster:


"Wenn μ wahr wäre, würden π, π’, π’’ als diverse (miscellaneous) Konsequenzen folgen.


Aber π, π’, π’’ sind tatsächlich wahr;


∴ Wir können vorläufig annehmen, dass μ wahr ist."


Unsere vermeintlichen "Wahrheiten", so muss man wohl feststellen, sinde allesamt hypothetisch. Das Schöne an dieser Schlussform ist, dass statt der Hypothese μ eben auch eine andere Hypothese konstruiert werden könnte, die π, π’, π’’ als Konsequenzen hat.


Noch einmal Peirce:


"Die zweite Figur des Schließens ist die Retroduktion. Hier gibt es nicht nur keine zur Konklusion gehörige eindeutige Wahrscheinlichkeit, sondern eine solche ist nicht einmal mit dem Schlussmodus verknüpft. Wir können nur sagen, dass die Ökonomie der Forschung auferlegt, in einem bestimmten Stadium der Untersuchung eine gegebene Hypothese zu versuchen, an der wir, solange die Fakten es zulassen, vorläufig festhalten müssen. Bei ihr gibt es keine Wahrscheinlichkeit. Sie ist eine bloße Annahme, von der wir versuchsweise ausgehen.


[...]


Was ist Wirklichkeit? Vielleicht gibt es so etwas überhaupt nicht. Ich habe wiederholt darauf bestanden, dass sie nur eine Retroduktion ist, eine Arbeitshypothese, die wir erproben, unsere einzige verzweifelte verlorene Hoffnung, irgendetwas zu wissen.““