1,30

Eine Kassiererin von Kaiser's ist entlassen worden, weil sie (angeblich) 1 Euro 30 Flaschenpfand unterschlagen hat. Sie hat 30 Jahre, ohne sich je etwas zu schulden kommen zu lassen, zuverlässig gearbeitet.


Jetzt hat ein deutsches Gericht die Entlassung für rechtmäßig erklärt, weil das Vertrauensverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und ihr gestört sei.


Kenner der Szene gehen davon aus, dass diese Frau deswegen entlassen wurde, weil sie sich gewerkschaftlich engagierte. Klar, dass das eine Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses zum Arbeitgeber zur Folge hat. Oder? Aber offenbar reicht das ja nicht als Kündigungsgrund. Da bedarf es noch eines Straftatbestandes. Der Verdacht besteht allerdings, dass dieser Frau das Hauptbeweismittel, der Flaschenbon über 1,30 Euro, untergeschoben wurde.


Ein merkwürdiges und denkwürdiges Urteil. Es wird wohl vor dem Europäischen Gerichtshof landen.


Dass dies nicht nur ein Urteil ist, dass lokale Bedeutung hat, zeigt die Aufmerksamkeit, das es im Ausland erfährt. Das italienische Fernsehen hat in seiner Nachrichtensendung (TG 1) ausführlich berichtet.


Ich weiss eigentlich auch nicht genau, warum ich dieses Urteil so signifikant finde. Vielleicht, weil es deutlich zeigt, wie sich Gesetze - der Wechsel des Spielfeldes auf das des Rechtssystems - in Konflikten, seien sie in der Familie oder bei der Arbeit, nutzen lassen, um Macht zu gewinnen, die innerhalb der gegebenen Spielregeln nicht zu erlangen ist. Denn vor Gericht wird immer nur formal argumentiert und entschieden. Deswegen kommen sachliche Überlegungen und das Gerechtigkeitsgefühl oft so kurz dabei.


Wie lautet noch gleich die alte Bauernregel: Wer recht hat, geht nicht zum Gericht?