17. Ein Programm der Abschaffung gegen die Liebhaber der Arbeit

(Untenstehende These ist Teil der 1:1 Abschrift der 18 Thesen des MANIFEST GEGEN ARBEIT der Gruppe krisis ()


Man wird den Gegner der Arbeit vorwerfen, sie seien nichts als Phantasten. Die Geschichte habe erwiesen, dass eine Gesellschaft, die nicht auf den Prinzipien der Arbeit, des Leistungszwanges, der marktwirtschaftlichen Konkurrenz und des individuellen Eigennutzes basiere, nicht funktionieren könne. Wollt ihr Apologeten des herrschenden Zustandes, also behaupten, dass die kapitalistische Warenproduktion tatsächlich der Mehrheit der Menschen ein auch nur im Entferntesten annehmbares Leben beschert hat? Nennt ihr es „funktionieren“, wenn ausgerechnet das sprunghafte Wachstum der Produktionskräfte Milliarden von Menschen aus der Menschheit stößt und sie froh sein dürfen, auf Müllhalden zu überleben? Wenn Milliarden andere, das gehetzte Leben unter der Diktatur der Arbeit nur noch erragen, indem sie sich isolieren und vereinsamen, indem sie ihren Geist Genuss los betäuben und physisch wie psychisch erkranken? Wenn die Welt in eine Wüste verwandelt wird, nur um aus Geld mehr Geld zu machen? Nun gut. Das ist in der Tat die Art und Weise, wie euer grandioses System der Arbeit „funktioniert.“ Solche Leistungen allerdings, wollen wir nicht vollbringen!


Eure Selbstzufriedenheit beruht auf eurer Ignoranz und auf der Schwäche eures Gedächtnisses. Die einzige Rechtfertigung, die ihr für eure gegenwärtigen und zukünftigen Verbrechen findet, ist der Zustand der Welt, der auf euren vergangenen Verbrechen beruht. Ihr habt vergessen und verdrängt, welcher Staatsmassaker es bedurfte, bis den Menschen euer gelogenes „Naturgesetz“ ins Hirn gefoltert war, dass es geradezu ein Glück sei, fremdbestimmt „beschäftigt“ zu werden und sich die Lebensenergie für den abstrakten Selbstzweck eures Systemgötzen aussaugen zu lassen.


Erst mussten alle Institutionen der Selbstorganisation und der selbst bestimmten Kooperation in den alten Agrargesellschaften ausgerottet werden, bis die Menschheit überhaupt in der Lage war, die Herrschaft von Arbeit und Eigennutz zu verinnerlichen. Vielleicht wurde wirklich ganze Arbeit geleistet. Wir sind keine übertriebenen Optimisten. Wir können nicht wissen, ob die Befreiung aus diesem konditionierten Dasein gelingen wird. Es ist offen, ob der Untergang der Arbeit zur Überwindung des Arbeitswahns führt oder zum Ende der Zivilisation.


Ihr werdet einwenden, mit der Aufhebung des Privateigentums und des Zwangs zum Geldverdienen werde alle Tätigkeit aufhören und eine allgemeine Faulheit einreißen. Gebt ihr also zu, dass euer gesamtes „natürliches“ System auf purem Zwang beruht? Und dass ihr deshalb die Faulheit als Todsünde wider den Geist des Arbeitsgötzen fürchtet? Die Gegner der Arbeit jedoch haben überhaupt nichts gegen die Faulheit. Eines ihrer vorrangigen Ziele ist es, die Kultur der Muße wieder herzustellen, die einst alle Gesellschaften kannten und die vernichtet wurde, um ein rastloses und sinnvergessenes Produzieren durchzusetzen. Deshalb werden die Gegner der Arbeit zuerst all die vielen Produktionszweige ersatzlos stilllegen, die überhaupt nur dazu dienen, ohne Rücksicht auf Verluste den verrückten Selbstzweck des Waren produzierenden Systems aufrechtzuerhalten.


Wir sprechen nicht nur von den offensichtlich gemeingefährlichen Arbeitsbereichen wie der Auto- der Rüstungs- und der Atomindustrie, sondern auch von der Produktion jener zahlreichen Sinnprothesen und albernen Belustigungsgegenstände, die den Arbeitsmenschen einen Ersatz für ihr vergeudetes Leben vortäuschen sollen. Verschwinden wird auch die Menge jener Tätigkeiten, die überhaupt nur deswegen anfallen, weil die Produktmassen durch das Nadelöhr der Geldform und Marktvermittlung hindurch gepresst werden müssen. Oder meint ihr, dass noch Buchhalter und Kostenrechner, Marketingspezialisten und Verkäufer, Vertreter und Werbetexter vonnöten sind, sobald die Dinge nach Bedarf hergestellt werden und alle einfach nehmen, was sie brauchen? Und wozu sollte es noch Finanzbeamte und Polizisten, Sozialarbeiter und Armutsverwalter geben, wenn kein Privateigentum mehr geschützt, kein soziales Elend verwaltet und niemand für entfremdete Systemzwänge zugerichtet werden muss?


Wir hören schon den Aufschrei: Die vielen Arbeitsplätze! Jawohl. Rechnet es ruhig einmal aus, wie viel Lebenszeit sich die Menschheit täglich raubt, nur um „tote Arbeit aufzuhäufen, Menschen zu verwalten und das herrschende System zu schmieren. Wie viel Zeit wir alle in der Sonne liegen könnten statt uns für Dinge zu schinden, über deren grotesken, repressiven und zerstörerischen Charakter schon ganze Bibliotheken geschrieben wurden. Doch keine Angst. Keinesfalls wird alle Tätigkeit aufhören, wenn die Zwänge der Arbeit verschwinden. Allerdings verändert alle Tätigkeit ihren Charakter, wenn sie nicht mehr in einer selbstzweckhaften und entsinnlichte Sphäre von abstrakten Fließzeiten gebannt wird, sondern ihrem eigenen, individuell variablen Zeitmaß folgen kann und in persönliche Lebenszusammenhänge integriert ist; wenn auch in großen Organisationsformen der Produktion die Menschen selber den Ablauf bestimmen, statt vom Diktat der betriebswirtschaftlichen Verwertung bestimmt zu werden. Warum sich hetzen lassen von den dreisten Anforderungen einer aufgezwungenen Konkurrenz? Es gilt die Langsamkeit wiederzuentdecken.


Nicht verschwinden werden natürlich auch jene Tätigkeiten der Hauswirtschaft und Pflege von Menschen, die in der Arbeitsgesellschaft unsichtbar gemacht, abgespalten und als „weiblich“ definiert worden sind. Das Kochen ist ebenso wenig zu automatisieren wie das Wickeln von Kleinkindern. Wenn zusammen mit der Arbeit die Trennung der sozialen Sphären überwunden wird, können diese notwendigen Tätigkeiten ins Licht bewusster sozialer Organisation jenseits der geschlechtlichen Zuschreibung treten. Sie verlieren ihren repressiven Charakter, sobald sie nicht mehr Menschen unter sich subsumieren und je nach Umständen und Bedürfnissen von Männern wie Frauen gleichermaßen verrichtet werden.


Wir sagen nicht, dass jede Tätigkeit dadurch zum Genuss wird. Einige mehr, andere weniger. Natürlich gibt es immer Notwendiges, das getan werden muss. Aber wen wollte das schrecken, wenn das Leben nicht davon aufgefressen wird? Und es wird immer viel mehr geben, was aus freier Entscheidung heraus getan werden kann. Denn die Tätigkeit ist ja ebenso ein Bedürfnis wie die Muße. Nicht einmal die Arbeit hat dieses Bedürfnis ganz auslöschen können, sondern es für sich instrumentalisiert und vampirisch ausgesaugt.


Die Gegner der Arbeit sind weder Fanatiker eines blinden Aktivismus noch eines ebenso blinden Nichtstuns. Muße, notwendige Tätigkeit und frei gewählte Aktivitäten müssen in ein sinnvolles Verhältnis gebracht werden, das sich nach Bedürfnissen und Lebenszusammenhängen richtet. Einmal den kapitalistischen Sachzwängen der Arbeit entwunden, können die modernen Produktivkräfte die frei disponible Zeit für alle ungeheuer ausdehnen. Warum hunderte menschlicher Körper schwitzen lassen, wenn einige Mähdrescher genügen? Warum Geist auf eine Routine verschwenden, die auch ein Computer ohne weiteres ausführt?


Allerdings kann für diese Zwecke nur der geringste Teil der Technik in seiner kapitalistischen Form übernommen werden. Das Gros der technischen Aggregate ist völlig umzuformen, wurden diese doch nach den bornierten Maßstäben der abstrakten Rentabilität gebaut. Viele technische Möglichkeiten sind andererseits aus demselben Grunde gar nicht erst entwickelt worden. Obwohl solare Energie an jeder Ecke gewonnen werden kann, setzt die Arbeitsgesellschaft zentralisierte und lebensgefährliche Kraftwerke in die Welt. Und obwohl schonende Methoden der agrarischen Produktion längst bekannt sind, schüttet das abstrakte Geldkalkül tausenderlei Gifte ins Wasser, zerstört die Böden und verpestet die Luft. Aus reinbetriebswirtschaftlichen Gründen werden Bauteile und Lebensmittel dreimal um den Globus gejagt, obwohl die meisten Dinge ohne große Transportwege leicht vor Ort hergestellt werden können. Ein erheblicher Teil der kapitalistischen Technik ist ebenso sinnlos und überflüssig wie der dazugehörige Aufwand menschlicher Energie.


Wir sagen euch damit nichts Neues. Und doch werdet ihr niemals Konsequenzen aus dem ziehen, was ihr auch selber sehr gut wisst. Denn ihr verweigert euch jeder bewussten Entscheidung darüber, welche Produktions-, Transport. Und Kommunikationsmittel sinnvoller Weise einzusetzen und welche schädlich oder schlicht überflüssig sind. Je hektischer ihr euer Mantra der demokratischen Freiheit abnudelt, desto verbissener weist ihr die elementarste soziale Entscheidungsfreiheit zurück, weil ihr weiterhin dem herrschenden Leichnam der Arbeit und seinen Pseudo-„Naturgesetzen“ dienen wollte.